Mürren als Hochburg der Faszination Open-Air-Curling
Das „offizielle“ Curling begann in Mürren mit der am 26. Februar 1911 durch Briten erfolgten Gründung des Mürren CC, der heute nicht mehr existiert. Zweifellos trugen die Anfang der dreissiger Jahre entstandenen ersten Vereine im Mittelland dazu bei, dass auch die einheimischen Berner Oberländer im „Dorf auf der Mauer“ einen Club mit schweizerischer Prägung anstrebten. So entstand 1934 der CC Mürren-Tächi, wobei das genaue Gründungsdatum eigenartigerweise bis heute nicht zu eruieren war. Die Bezeichnung Tächi wurde deshalb gewählt, weil im Dialekt so die schwarzen Bergdohlen („Coloeus monédula“) als eines der Wahrzeichen Mürrens bezeichnet werden. Sie gehören zur Gattung der Rabenvögel.
Älter als BOCA und SCV
Der CC Mürren-Tächi ist um ein Jahr älter als die BOCA (erster helvetischer Verband) und gar deren acht als der Schweizerische Curlingverband (SCV). Mit dem CC Bern, Grindelwald Swiss, Gstaad-Village, Kandersteg und Wengen-Jungfrau zusammen bildete Mürren-Tächi am 10. März 1935 in Spiez das Gründersextett der BOCA. Diese Bernese Oberland Curling Association führte bereits 1936 die erste Auflage ihres Verbandsspieles durch.
Dem CC Mürren-Tächi als Hochburg der Vergangenheit und Gegenwart kommen allgemeine Verdienste um das Freiluft-Curling in der hehren Alpenluft und besondere Meriten um die BOCA zu. Zehnmal organisierten die Mürrener diesen traditionsreichen Wettkampf: 1940, 1951, 1959, 1965, 1972, 1975, 1985, 1991, 1997 und zuletzt im Jahr 2000. Auf der windgeschützten Sonnenterrasse gegenüber dem weltbekannten Bergriesen-Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau bieten sich die besten Voraussetzungen.
Als „Monty“ im Palace Preise verteilte
Besonders eindrücklich bleibt den Teilnehmern die 16. BOCA von 1951 auf total 13 Rinks in Erinnerung, als den beiden Finalteams die Preise durch Feldmarschall Viscount Bernard Law Montgomery of Alamein Hindhead überreicht wurden, der 1942/43 als Kommandant der siegreichen britischen Armee in Nordafrika und Sizilien Geschichte schrieb. Diese Preisverteilung fand im Palace-Hotel in Mürren statt, wo sich „Monty“ jahrelang als Winterferiengast wohl fühlte. Im Palace erfolgte am 26. Februar 1961 auch die Geburt des ersten deutschen Curlingclubs „CC Deutschland 61“, der später in CC Düsseldorf umbenannt wurde. In der Palace-Aera der Familie Affentranger kam es jeweils auch zu den Curlertaufen nach schottischem Vorbild des Royal Caledonian Curling Club (RCCC). Eine Wiedereinführung dieses traditionsumwobenen Brauches wäre wünschenswert.
Auf 1650 Metern über dem Meeresspiegel wickelte sich das alpine Curling in Mürren zuerst auf den heute nicht mehr vorhandenen Palace-Rinks ab. Doch immer noch ist das Palace-Hotel ein Treffpunkt und eine Drehscheibe der Tächi-Curlingszene in Mürren.
Zweimal präsentierte übrigens Mürren-Tächi das BOCA-Siegerteam: 1938 mit Skip Ch. Jossi und 1962 mit Skip Emil von Allmen. Die Mürrener standen 1963 auch hinter der BOCA-Öffnung für auswärtige und ausländische Teams.
Vom Natur- zum Kunsteis
Die Expansion der Schweizer Curlingbewegung mit dem Bau vieler Hallen im Unterland, ebenso der damit verbundene Trend zum modernen Wettkampfcurling auf Kieseleis sowie das gelegentliche „Veto“ des Wettermachers verursachten eine rückläufige Tendenz des Open-Air-Curlings. In jener kritischen Phase zählte Mürren-Tächi zu den Haupttriebfedern, die sich um eine Aufwärtswende verdient machten. In der jüngeren Vergangenheit haben die Freiluftevents mit Steinen und Besen wieder merklich an Popularität gewonnen. Mürren stellte dreimal den Vorort der BOCA: zuerst 1939/40 mit Präsident H. Huggler und von 1963 bis 1965 übte der legendäre John T. Affentranger das Präsidium aus. 1984 bis 1986, als Mürren-Tächi wieder die Leitung hatte, war deren Arbeit offensichtlich ausgezeichnet. Die Crew mit Präsident Peter Wälti, Heinz Messerli, Peter Ott und Walter Dietz wurde von 1987 bis 1989 für eine weitere dreijährige Amtsdauer bestätigt. Seit 1999 steht zum vierten Mal der CC Mürren-Tächi an der Spitze der BOCA-Familie und wurde 2001 ebenfalls für eine zweite Amtsdauer wiedergewählt. Diesmal hat Präsident Heinz Messerli Peter Ott, René Collioud und Yvonne Affeentranger an seiner Seite.
Viermal war die Bergterrasse über dem Lauterbrunnental auch Austragungsort von Landesmeisterschaften: 1957 bei den Herren, 1967 für die Damen. 1989 und 1999 um den Open-Air-Titel. Die Mürrener Curler waren übrigens auch Pioniere und Befürworter einer Schweizer Beteiligung an der Herren-Weltmeisterschaft, damals noch um den „Scotch Cup" ab 1964 sowie beim 1. Swissair-Cup von 1957 in den USA.
Mit vornehmlich einheimischen Meistern zur Schaffung und Pflege von Natureis wurde Mürren für seine hohe Eisqualität geradezu sprichwörtlich bekannt. Im Dezember 1983 entstanden die ersten drei Kunsteisrinks, die bald um weitere sechs auf dem Hockeyfeld auf total neun Bahnen erweitert werden konnten.